Was heisst eigentlich Säurefrei?
Oft wird im Zusammenhang mit angebotenen Materialqualitäten
bzw. angebotenen Archivkartons Säurefreiheit gefordert oder
von Kundenseite verlangt.
Ein kurzer Rückblick
Seit etwa 1850 wurde der Holzschleifer eingesetzt, mit
der die Papierherstellung aus dem preiswerten Rohstoff Holz im industriellen
Maßstab möglich wurde; um 1879 arbeiteten allein in Deutschland
rund 340 solcher Holzschleifereien.
Die Holzschliffpapiere erwiesen sich wegen der in der
Schliffmasse enthaltenen Restanteile verschiedener saurer Substanzen
als problematisch. Diese Säureanteile stammen aus dem chemischen
Aufschlußprozess, die für die Behandlung des zerfaserten
Holzstoffes (Lignocellulose) im industriell verbreiteten Sulfitverfahren
zwangsläufig benötigt werden. Andere Aufschlußverfahren
arbeiten mit Chlorverbindungen und Essigsäure. Diese komplexen
Wirkungsmechanismen führen zur Vergilbung sowie zu einer erheblichen
Verringerung der Reißfestigkeit, Naßfestigkeit und Biegesteifigkeit
im Endprodukt, was sich als "Brüchigkeit" des Papieres
bemerkbar macht. Die verringerte Stabilität im Papier ist eine
Folge der durch Säure katalysierten Spaltung des Cellulosemoleküls,
die in Form einer fortschreitenden Kettenverkürzung abläuft.
Hauptursache für das Vergilben des Holzschliffpapieres ist das
Lignin und seine hierbei entstehenden Zersetzungsprodukte (überwiegend
aromatische Verbindungen).
So hat das Holzschliffpapier nicht nur einen Nutzen für die kostengünstige Herstellung von Papier gebracht, sondern auch einen großen Schaden für die schriftliche Überlieferung des 19. und 20. Jahrhunderts.
In den letzten 30 Jahren
Seit den 1980er Jahren wird für den Druck hochwertiger Publikationen und Grafiken überwiegend ein alterungsbeständiges Papier oder ein sog. "säurefreies Papier" verwendet. Dieses ist durch chemische Zusätze frei von freien Säuren und freien Chloriden. Alterungsbeständiges Papier ist in der DIN ISO 9706 genormt.
In DIN-ISO 9706 und in den nationalen Normen für alterungsbeständiges Papier sind - neben bestimmten Festigkeitswerten, die mehr für die Verarbeitung des Papiers als für seine Alterungsbeständigkeit von Bedeutung sind - folgende Kriterien als entscheidend für die Alterungsbeständigkeit herausgestellt:
• Herstellung des Papiers im neutralen bzw. alkalischen Bereich,
• der damit verbundene vollständige Verzicht auf Alaun und andere Substanzen,
• der nur bei dieser Fahrweise mögliche Einsatz einer milden alkalischen Puffersubstanz (Calciumcarbonat) als Füllstoff,
• Verzicht auf verholzte Faser (Lignin)
Wie sieht es nun bei den Archivboxen aus?
An eine Archivbox müssen ebenfalls hohe Anforderungen gestellt werden. Ob eine Archivbox hilft oder sogar noch Schaden anrichtet, hängt entscheidend vom verwendeten Material ab. Als das Phänomen der Säurewanderung bekannt wurde, mussten die Hersteller und Anwender von Archivierungskartonagen umdenken: Säurehaltige Kartonagen (und das waren bis zu diesem Zeitpunkt ausnahmslos alle auf dem Markt befindlichen Archivkartonagen aus Graukarton) schädigen, indem die Säure aus ihnen in die eingelegten Papiere wandert. So können auch solche Papiere sauer werden, die selbst keine säurebildenden Bestandteile enthalten und deshalb eigentlich nicht gefährdet sind.
Papierwerkstoffe, die diesen Anforderungen entsprechen, können als alterungsbeständig bezeichnet werden. Um diesen hohen Qualitätsstandard zu erreichen, darf bei der Herstellung der Papiere nicht nur – wie schon bei der Herstellung von säurefreien Papier – kein holzhaltiges Material verwendet werden. Es verbietet sich auch die Verwendung von Recyclingpapier, weil dessen genaue Zusammensetzung unbekannt ist und immer davon ausgegangen werden muß, dass holzhaltiges und saures Material darunter ist.
Fazit: Sowohl die DIN ISO 9706 als auch die DIN ISO 16245 haben klare Vorgaben, die ihnen Säurefreiheit garantieren. Mehr Sicherheit geht nicht!